Kerstins Bücherreich

„Der Bücherwurm liest sogar die Bücher, die er rezensiert.“ Gabriel Laub (1928-98)

Archives: Oktober 2017

 

Autor:

Michael Tsokos
Verlag: Droemer
ISBN-10: 3426276178
Gebundene Ausgabe 348 Seiten
Persönliche
Wertung:
,5

 

 

Neue Fälle von Deutschlands bekanntestem Rechtsmediziner

Zum Inhalt:

Professor Michael Tsokos gewährt hier im Rahmen von zwölf spannenden Fällen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, dem Laien wieder einmal Einblick in seine Arbeit als Rechtsmediziner. War es Mord, Suizid oder ein Unfall? Ob am Obduktionstisch oder per Expertise vor Gericht, der anerkannte Experte konnte mit seinem Wissen zur Lösung so einiger Verbrechen bzw. ungeklärter Fälle beitragen.

Meine Meinung:

Inzwischen habe ich schon einige Sachbücher von Michael Tsokos gelesen sowie auch einen seiner True-Crime-Thriller. Dieses Buch ist wahrhaft nicht trocken oder langweilig geschrieben, sondern liest sich eher wie eine Krimikurzgeschichten-Sammlung.

Dabei geht der Rechtsmediziner auf spektakuläre Fälle ein, die der eine oder andere Leser sicher noch als Schlagzeile im Hinterkopf hat, wie z. B. der Fall des Piratenpolitikers, der mit einer Leiche im Koffer durch Berlin spazierte. Auch der Kampfhund-Überfall auf den kleinen Volkan wird vielen noch präsent sein oder der Suizid des in der DDR gefeierten Komponisten Kurt Demmler. Zu diesen Fällen konkrete Informationen quasi aus erster Hand zu bekommen, hat mir sehr gefallen. Gerade auch das Biografische daran. Tsokos beschränkt sich hier nicht nur auf seine Arbeit, sondern bietet ein Gesamtbild.

Doch er entlarvt auch Betrüger, weist auf kolossale, tödlich endende Fehlentscheidungen hin und hinterfragt Gerichtsentscheidungen. Historische Todesfälle werden ebenfalls einbezogen. Aber auch ungeklärte Verbrechen kommen vor, denn nicht immer ist die Forensik in der Lage, dem Täter auf die Spur zu kommen.

Ganz geringfügige Abstriche möchte ich machen, da der Autor auch in diesem Buch wieder ab und an ein wenig von oben herab daherkommt, einige Details zum wiederholten Male anbringt und dann so, als wäre der Leser extrem schwer von Begriff. Die zum Teil sehr detaillierten Auszüge aus Autopsieberichten werden vielleicht auch nicht jedermanns Sache sein, aber das kann man überlesen.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen und mir einen interessanten Einblick in die Arbeit der Rechtsmedizin und Hintergrundwissen zu einigen der spektakulärsten Kriminalfälle der letzten Jahre verschafft. Wer daran interessiert ist, sollte auf jeden Fall einen Blick ins Buch riskieren.

Ich danke dem Droemer Verlag herzlich für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

Kerstin at Freitag, Oktober 27th, 2017 | Filed under: Sachbuch,Thriller/Krimi,Tsokos, Michael | RSS 2.0 | TB | No Comments

 

Autor:

Meredith Winter
Verlag: Sommerburg Verlag
ASIN: B075QWB57Q
E-Book: 216 Seiten
Persönliche
Wertung:
,5

 

 

Liebe, die Grenzen sprengt … und einen Mörder auf den Plan ruft

Inhalt:

Im beschaulichen norddeutschen Örtchen Sommerburg beginnt eine brutale Mordserie. Der Täter hinterlässt bei den Opfern eine Visitenkarte der Edelprostituierten Marlene. Ebendiese hat gerade Jonathan, den Pastor der kleinen Gemeinde, kennengelernt und fühlt sich wider Erwarten zu ihm hingezogen. Welches Geheimnis verbirgt sie und was hat sie mit den Morden zu tun? Auch Jonathan ist hin und her gerissen zwischen den aufkommenden Gefühlen für Marlene und seiner geistlichen Überzeugung. Ein Kampf für die Liebe und gegen einen gnadenlosen Mörder beginnt.

Meine Meinung:

Der Roman von Meredith Winter ist als Liebeskrimi (oder auch Ladythriller) untertitelt, was es ganz gut trifft, wobei die Liebesgeschichte einen größeren Platz einnimmt und das Buch daher für reine Krimileser weniger geeignet scheint.

Besonders Jonathan hat sich in mein Herz geschlichen, der auch vom Elternhaus her so einiges aufgebürdet bekam. Marlenes Handlungsweise war einige Male schwer nachvollziehbar für mich, daher bekam ich zu ihr nur langsam einen Draht. Die Liebesgeschichte der beiden ist an sich süß und auch sehr romantisch, ging mir aber ein wenig zu schnell, gerade wenn man die Vergangenheit beider Protagonisten betrachtet. Klar muss es auch zu den Taten des Mörders passen, aber auch dieser hätte sich durchaus mehr Zeit lassen können. Was gänzlich fehlt ist irgendeine Ermittlungsarbeit von Polizeibehörden, zumindest wird diese nicht thematisiert. Das Setting mit dem heimeligen Dort, wo alles anders ist als es scheint, ist zwar ziemlich klischeebehaftet, aber dennoch treffend skizziert.

Die Autorin versteht es, die Spannung durchgängig konstant zu halten und durch kleine Tricks und Kniffe unerwartete Wendungen einzubringen. Der Schreibstil ist flüssig, aus der Perspektive des Täters nüchtern und sachlich, bei den Liebenden teilweise ein wenig zu schwülstig, wobei mich einige Passagen trotzdem sehr berührt haben. Stilistisch kommen ein paar Sachen vor, die ich gar nicht mag, und auch orthografisch sind mir einige Mängel aufgefallen, wobei ich nicht weiß, ob ich die aktuellste Auflage lesen durfte. Ich danke der Autorin für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

Fazit: Wer die Mischung aus Krimi und Liebesroman mag, wobei das Pendel stärker in Richtung Liebe ausschlägt, macht bestimmt keinen Fehler, sich auf eine Geschichte einzulassen, die sowohl spannend und unterhaltsam als auch stimulierend ist.

Kerstin at Donnerstag, Oktober 19th, 2017 | Filed under: Liebesroman,Thriller/Krimi,Winter, Meredith | RSS 2.0 | TB | No Comments

 

Autor:

Lize Spit
Verlag: S. Fischer
ISBN-10: 3103972822
Gebundene Ausgabe 505 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

Sprachlich brillantes Debüt, das an die Grenzen geht und darüber hinaus

Inhalt:

Eva wächst mit ihren Geschwistern in einem desolaten Elternhaus auf. Für die kleine Tesje, die zunehmend Zwangsstörungen entwickelt, ist sie der einzige Halt und Ruhepunkt, denn die alkoholkranken und depressiven Eltern haben genug mit sich selbst zu tun. Um ab und an der Verantwortung zu entfliehen, sucht sie jede Gelegenheit, mit ihren gleichaltrigen Freunden Pim und Laurens abzuhängen. Doch der Sommer 2002 ändert alles. Die zunehmende Entdeckung der Sexualität bei den Teenagern entwickelt sich zu einer Spirale aus Abhängigkeit und Obszönität und eskaliert schließlich in erschreckendem Ausmaß.

Dreizehn Jahre später kehrt Eva zurück in ihr Heimatdorf, im Kofferraum einen Eisblock …

Meine Meinung:

Der Debütroman von Lize Spit ist tatsächlich eines der am längsten nachhallenden Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Gerade der sachliche, nüchterne Erzählstil schockiert unzählige Male zutiefst. Der Autorin gelingt es meisterhaft, permanent Fragen aufzuwerfen, die ein Ablassen von der Lektüre nahezu unmöglich machen.

Ich durfte den Roman im Rahmen einer Leserunde lesen und habe so nach ca. je 100 Seiten eine kleine Pause eingelegt, um das Gelesene sacken zu lassen. Dies war auch gut so, denn einiges ist wirklich schwer erträglich. Dabei liegt über allem permanent eine so unheilvolle Stimmung, dass ich jedes Mal Angst hatte, einen neuen Abschnitt zu beginnen, mich der Faszination jedoch trotzdem nicht entziehen konnte. Besonders der letzte Abschnitt ist harte Kost, die ganz sicher nicht jedermanns Geschmack treffen wird. Um es deutlich zu sagen, Gefallen wird niemand an dem Dargestellten finden, jedoch braucht es im Rahmen dieser Geschichte wahrscheinlich auch diese Deutlichkeit, um das Unfassbare auszusprechen. So kann sich der Leser nicht entziehen, wie es die gesamte Dorfgemeinschaft im Verlaufe des Buches so erfolgreich praktiziert.

Die Geschichte wird aus Evas Sicht erzählt, die einmal ins Jahr des verhängnisvollen Sommers 2002 schwenkt und dort auch Anekdoten aus früheren Jahren einfließen lässt und die Gegenwart im Halbstundentakt hin zu einem dramatischen Finale beleuchtet.

Wirkliche Sympathieträger gibt es im Buch kaum, am ehesten noch die kleine Tesje, die furchtbar unter den Zuständen in ihrem Zuhause leidet. Bei Eva selbst bin ich zwiegespalten. In ihrem Wunsch dazuzugehören, verpasst sie meines Erachtens den Absprung und lässt viel zu viel mit sich machen, was ihr unweigerlich zum Verhängnis wird. Ein wenig genervt hat mich irgendwann der totale Fokus auf dem Thema Sex. Für die 14jährigen Jungs, aber auch für Eva scheint es kaum etwas anderes zu geben. Ist dies der Enge der Dorfgemeinschaft geschuldet?

Große Themen sind auch die Ignoranz der Mitmenschen bei gleichzeitiger Sensationslüsternheit. Man schaut nur zu, ergötzt sich am Elend und unternimmt nichts. Man hört ja immer wieder von so schrecklichen Geschichten, wenn ein jahrelanges Martyrium aufgedeckt wird. Noch viel größer wird die Dunkelziffer sein. Doch ich mag mir wirklich nicht vorstellen, dass diese Geschichte mehr als bloße Fiktion ist.

Sprachlich und auch vom dramaturgischen Aufbau her fand ich den Roman brillant. Es gibt unzählige Sätze, die einen dicken Kloß im Hals hinterlassen, einem sogar die Tränen in die Augen treiben. Wer sich einlässt, bekommt hier wirklich einiges geboten. Auf eine depressive Grundstimmung, eine ständig lauernde Bedrohung, perverse Handlungen, die die Ekelgrenze oft nicht nur streifen, sollte sich der Leser allerdings einlassen. Wie es auf dem wirklich schönen Bucheinband heißt: Ein Buch, das alles gibt und alles verlangt.

Kerstin at Dienstag, Oktober 10th, 2017 | Filed under: Frauen,Literatur allg.,Spit, Lize | RSS 2.0 | TB | No Comments
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