Kerstins Bücherreich

„Der Bücherwurm liest sogar die Bücher, die er rezensiert.“ Gabriel Laub (1928-98)

Category: Sachbuch

 

Autor:

Burkhard Benecken, Hans Reinhardt
Verlag: ecoWING
ISBN-13: 978-3711003263
Gebundene Ausgabe 229 Seiten
Persönliche
Wertung:
,5

 

Im Zweifel gegen den Angeklagten

Inhalt:

Die renommierten Strafverteidiger Burkhard Benecken und Hans Reinhardt, bekannt auch durch den True-Crime-Podcast „Advokaten des Bösen“, gewähren einen Blick hinter die Kulissen des deutschen Rechtssystems und beleuchten insbesondere, wie schnell es zu Justizirrtümern kommen kann.

Meine Meinung:

Zum Glück bin ich persönlich noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wie leicht dies jedoch auch einem Unschuldigen passieren kann, hat mir dieses sehr informative Sachbuch aufgezeigt.

Ob falsche Geständnisse erzwungen werden, Zeugen bewusst lügen oder manipuliert werden, Schöffen trotz geringer Sachkenntnis viel zu viel Entscheidungsgewalt haben, Absprachen zwischen Richtern und Staatsanwälten in der Cafeteria stattfinden, Sachverständige längst nicht mehr auf dem neuesten Stand sind – all das und noch viel mehr erzählen die Autoren anhand von Fällen aus ihrer beruflichen Praxis.

Der Fall Jens Söring ist ebenfalls Gegenstand. Mir war er bisher nicht bekannt, auch wenn er wohl große Wellen geschlagen hat. Die Meinungen, ob schuldig oder unschuldig, gehen hier stark auseinander und ich will mir da auch gar kein Urteil erlauben. Sicher ist wohl, dass einiges anders hätte laufen können. Aber auch der prominente Fall von Gina-Lisa Lohfink hat mich regelrecht sprachlos gemacht. Ebenso lassen auch weitere der aufgeführten Justizirrtümer den Leser fassungslos zurück.

Ich fand es enorm spannend, diesen tiefen Einblick ins deutsche Rechtssystem zu erhalten. Und das Ganze auch noch in für den Laien gut verständlicher Sprache. Es erzeugt keineswegs Vertrauen, in welche Fallstricke man als unbescholtener Bürger geraten kann und ich kann nur hoffen, dass ein paar der von den Strafverteidigern vorgeschlagenen Änderungen, die mir dringend notwendig erscheinen, irgendwann eine Umsetzung finden. Bis dahin würde ich es vorziehen, einen größtmöglichen Bogen um jeden Gerichtssaal zu machen. Für an der Justiz Interessierte unbedingt zu empfehlen.

Kerstin at Donnerstag, Juni 22nd, 2023 | Filed under: Benecken, Burkhard,Reinhardt, Hans,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Isabell Horn
Verlag: Heyne
ISBN-13: 978-3-453-60625-8
Klappen-
broschur:
223 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

Das unperfekte Leben – oder wie mich Depressionen veränderten

Zum Inhalt:

Schauspielerin Isabell Horn gab ihren Fans in den Sozialen Medien jahrelang Einblick in ihr vermeintlich perfektes Leben – bis sie eines Tages nicht mehr die Kraft dazu hatte. Diagnose: reaktive Depression. Und es ist nicht ihre erste. Ehrlich und authentisch berichtet Isabell von ihrem so gar nicht perfekten Leben, ihren dunkelsten Stunden und wie sie sich mit Hilfe und ganz viel Mut wieder ins Leben zurückgekämpft hat. Damit schenkt sie vielen Menschen Kraft, die immer noch lieber über das Tabuthema schweigen, und zeigt Wege auf, mit der Krankheit umzugehen.

Meine Meinung:

Als ich von dem Buch hörte, musste ich es sofort haben, weil das Thema mir persönlich sehr am Herzen liegt. Meine Mama kämpfte jahrelang erfolglos gegen Depressionen und ist zwischenzeitlich ein Pflegefall. Dadurch werde ich täglich damit konfrontiert und habe selbst immer wieder diese dunklen Phasen durchzustehen.

Die Beschreibungen von Isabell kann ich daher so gut nachvollziehen. Es war streckenweise, also würde ich in einen Spiegel schauen. Ich kenne die Schauspielerin tatsächlich nur dem Namen nach, da ich gerade zu dieser Zeit GZSZ und AWZ nicht schaute und ihre aktuelle Serie gar nicht. Aber durch ihre Offenheit und Ehrlichkeit war sie mir direkt sehr nah. Sie vermittelt eindrücklich, dass es möglich und es wert ist, gegen die Krankheit anzukämpfen.

Die im Buch enthaltenen professionellen Erklärungen zu Depressionen und Übungshinweise empfand ich als sehr hilfreich und werde versuchen, sie immer wieder praktisch anzuwenden.

Ich kann jedem, der auch nur im Ansatz betroffen ist, dieses Buch empfehlen und danke Isabell Horn, dass sie den Mut aufgebracht hat, mit diesem so wichtigen Thema an die Öffentlichkeit zu gehen.

Kerstin at Montag, Oktober 24th, 2022 | Filed under: Biografie,Horn, Isabell,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Michael Lichtwarck-Aschoff
Verlag: Hirzel Verlag
ISBN-13: 978-3777629179
Gebundene Ausgabe 283 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

 

Dunkelstes Kapitel in Robert Kochs Geschichte

Inhalt:

Der Nobelpreisträger Robert Koch war ohne Frage eine Koryphäe auf seinem Gebiet und ging als Lichtgestalt in die Medizingeschichte ein. Doch es gibt auch Schatten auf seiner weißen Weste. Michael Lichtwarck-Aschoff beleuchtet diese und bringt dem Leser den Bakterienforscher und seine Beweggründe näher.

Meine Meinung:

Näheres über den berühmten Bakteriologen, dessen Name gerade heutzutage ständig zu hören ist, zu erfahren, fand mein Interesse. Mit dem Buch „Robert Kochs Affe“ habe ich mich jedoch schwergetan und kam nur schleppend voran.

Es ist in drei Abschnitte eingeteilt. Zuerst erfährt man über die Lebens- und Arbeitsweise Kochs im Berlin von 1903, in der ein Affe in Husarenuniform eine tragende Rolle spielt. Die Sinnhaftigkeit hat sich mir nicht wirklich erschlossen.

Dann, den größten Teil des Buches einnehmend, erfahren wir über Kochs Expedition ins „Schutzgebiet“ Deutsch-Ostafrika, wo er versucht, der Schlafkrankheit, die von der Tsetsefliege übertragen wird, Herr zu werden. Hier erfährt der Leser mittels eines Überlebenden der Expedition von unmenschlich anmutenden Versuchen an den Eingeborenen, um auf Teufel komm raus die Kolonisierten zu schützen. In seinem Wahn, dass der menschliche Körper ein absolut reines Gefäß sein muss, überschreitet er viele Grenzen und führt einen skrupellosen wie erfolglosen Kampf. Seiner Meinung nach müssten ganze Landstriche vernichtet, die Infizierten in Lagern separiert werden. Vieles wiederholt sich in diesem Abschnitt und es wird zwischendurch ziemlich langweilig, wobei die vorgenommenen Untersuchungen bzw. Heilungsversuche echtes Entsetzen auslösen.

Im dritten für mich eigentlich interessantesten Teil schließlich geht es um „Typhoid Mary“ in New York. Die aus Irland eingewanderte Mary Mallon war ein sogenannter „gesunder Träger“ von Typhusbazillen. Selbst nie erkrankt, steckte sie zahllose Menschen, in deren Häusern sie als Köchin arbeitete, unbewusst an. Drei starben, viele überlebten nur knapp. Sie wurde daraufhin zeit ihres Lebens, an die 26 Jahre, in Quarantäne weggesperrt. Koch, 1908 auf Amerikareise, will ihr helfen, erkrankt jedoch selbst schwer und muss sich über Monate einiger Prozeduren unterziehen, die er unbekümmert über Jahre seinen Probanden zumutete. Möglicherweise hat ihn das ein wenig zum Umdenken gebracht.

Der Schreibstil des Autors weiß in großen Teilen zu überzeugen, ist mitunter dennoch schwer verdaulich. Streckenweise ein wirklich zähes Lesevergnügen. Wissenschaftlich Interessierte könnten dennoch Gefallen daran finden, Robert Koch bei seinen Versuchen, die Welt von Erregern zu befreien, über die Schulter zu schauen.

Kerstin at Sonntag, Mai 9th, 2021 | Filed under: Biografie,Lichtwarck-Aschoff, Michael,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Heinz Rudolf Kunze
Verlag: Adeo
ISBN-13: 978-3863342524
Gebundene Ausgabe 315 Seiten
Persönliche
Wertung:
,5

 

 

Zeitgeschichten, die einen näheren Blick wert sind

Inhalt:

Heinz Rudolf Kunze – den meisten sicher als Sänger bekannt – ist noch viel mehr. Der studierte Germanist entpuppt sich als wahrer Wortakrobat. Und so zeigt er auch in seiner neuesten literarischen Veröffentlichung seine enorme Vielseitigkeit. 200 Zeitgeschichten bringt er an den Leser, mal nachdenklich, mal poetisch, mal witzig. Es geht um Politik, ums Älterwerden, Liebe und Glück. Mal als Gedicht, gereimt oder auch nicht, mal im Fließtext, aber immer originell.

Meine Meinung:

Ich habe bisher nichts von Kunze gelesen, bewundere ihn aber als Sänger inzwischen schon ein paar Jahrzehnte. Seine oft bissigen, tiefgründigen und nachdenklich machenden Songtexte haben mich bewogen, mir dieses Buch näher anzuschauen.

Zugegebenermaßen haben mich seine Texte, chronologisch angeordnet nach ihrer Entstehung, ein wenig zwiegespalten zurückgelassen. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und legt zielsicher den Finger in so manche Wunde unserer Gesellschaft. Ironisch, bissig, hin und wieder aber auch ziemlich albern. Die Betrachtung der eigenen Endlichkeit, der Kampf mit dem Älterwerden – alle Achtung, den Mann muss so einiges umtreiben. Dabei baut er gekonnt auf Wortspiele, überrascht immer wieder mit diversen Wortneuschöpfungen.

Ich habe immer nur 2 bis 3 Geschichten/Gedichte auf einmal gelesen, was sich als richtig herausstellte, muss man doch bei einigem intensiver drüber nachdenken, um den Sinn zu verstehen. Das ist mir dennoch nicht immer gelungen. Anderes wieder war einfach nur genial formuliert und sollte ein noch größeres Publikum finden.

Kritik am Schulsystem scheint häufig durch und wohl auch deshalb wurde in alter Rechtschreibung gedruckt. Für mich schon von Berufs wegen leider sehr gewöhnungsbedürftig.

Fazit: Kunze ist ein Mensch, der was zu sagen hat und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt. Manche seiner Texte gehen tief, erschließen sich erst bei mehrmaligem Lesen, dafür aber mit umso größerer Wucht. Intellektuell herausfordernd, aber immer irgendwie besonders.

Kerstin at Donnerstag, Mai 21st, 2020 | Filed under: Biografie,Humor,Kunze, Heinz Rudolf,Literatur allg.,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Ginette Kolinka
Verlag: Aufbau digital
ASIN: B081S66N6L
E-Book: 128 Seiten
Persönliche
Wertung:

Ergreifender Zeitzeugenbericht

Zum Inhalt:

Ginette Kolinka ist 19, als sie mit Vater, Bruder und Neffe im März 1944 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wird. Sie hat als Einzige überlebt und führt noch heute mit fast 95 Schulklassen durch den Ort, an dem sie unvorstellbares Grauen erfahren hat. Jahrzehntelang hat sie geschwiegen. Nun beschreibt sie eindringlich ihre Erlebnisse in Birkenau, ihren Weg dorthin und auch wie sie nach Kriegsende wieder auf die Beine kam.

Meine Meinung:

Es ist nicht mein erstes Buch über den Holocaust und wird sicher nicht mein letztes sein. Auch wenn es streckenweise beinahe körperlich wehtut, über die damals stattgefundenen Grausamkeiten zu lesen, so finde ich es doch immer wieder wichtig, gerade diesen Teil der deutschen Geschichte nicht aus den Augen zu verlieren. Und das nicht nur vor dem Hintergrund des gerade deutlich spürbaren Rechtsrucks in unserer Gesellschaft.

Ginette Kolinka konnte den größten Teil ihres Lebens nicht über ihre Zeit im KZ sprechen, erst als Steven Spielberg Zeitzeugen für seinen Film „Schindlers Liste“ suchte, brach sie ihr Schweigen. Nicht mehr lange werden wir Berichte aus erster Hand bekommen, deshalb ist es so wichtig, jeder einzelnen Stimme Gehör zu verschaffen.

Die Erlebnisse der Französin werden achronologisch erzählt und beginnen mit der Ankunft in Auschwitz und dem Vorwurf, den sie sich wohl ewig machen wird. In ihrer Naivität riet sie ihrem Vater und Bruder aufgrund ihrer Schwäche die bereitstehenden LKW zu nutzen und schickte sie damit direkt in den sicheren Tod. Die zweite Hälfte des für den geringen Inhalt recht preisintensiven Büchleins befasst sich mit der Gefangennahme und der Zeit nach dem KZ-Aufenthalt. Diese Zeitsprünge wirken teilweise etwas verwirrend.

Von den Grausamkeiten wird sehr sachlich und nüchtern berichtet, was wahrscheinlich aufgrund der Thematik gar nicht anders möglich ist. Einen Tick mehr Emotion hätte ich mir dennoch gewünscht. Es wird auch immer wieder betont, dass sich Ginette gar nicht mehr an alles erinnern kann, was sicher auch ihrem hohen Alter geschuldet ist. Zu den Details brauche ich mich nicht zu äußern. Es erschüttert mich nur jedes Mal wieder aufs Neue, zu was Menschen fähig sind.

Mein erster Besuch in Auschwitz ist für dieses Jahr fest eingeplant und ein wenig habe ich Angst, dem Unbeschreibbaren so nah zu kommen. Dennoch möchte ich mich dieser Vergangenheit stellen.

Das Buch ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Aufklärung der im Zweiten Weltkrieg von den Nationalsozialisten verübten Verbrechen und sollte gleichzeitig als Prävention und Mahnmal Berücksichtigung finden.

Kerstin at Dienstag, Februar 18th, 2020 | Filed under: Biografie,Kolinka, Ginette,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Sebastian Fitzek
Verlag: Droemer
ISBN-13: 978-3426277829
Gebundene Ausgabe 254 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

Was ist es, das im Leben zählt?

 

Zum Inhalt:

Ein Kompass für das große Abenteuer namens Leben – so der Untertitel des neuen Buches von Bestsellerautor Sebastian Fitzek. Diesmal kein Thriller, sondern ein Ratgeber für seine noch sehr jungen Kinder, um sie auf ihrem Lebensweg zu unterstützen. Und da dieses Buch nicht als Vermächtnis beim Notar hinterlegt, sondern der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, auch ein Buch für alle, die manchmal zweifeln, einen Sinn in ihrem Dasein suchen und vielleicht vom Weg abgekommen sind.

Meine Meinung:

Zugegeben, ich bin ein großer Fitzek-Fan, zwar nicht der ersten Stunde, aber schon recht lange. Von diesem, seinem neuesten Werk erfuhr ich, als er es in einer Talkshow vorstellte. Was dort darüber erzählt wurde und gewisse Auszüge haben in mir schnell den Wunsch geweckt, es lesen zu wollen und schon bald bekam ich es auch geschenkt.

So gern ich seine Thriller lese, dieses, sein wohl persönlichstes Buch, hat mich mehr als alle zuvor beeindruckt. Ich bin ein Mensch mit geringem Selbstwertgefühl, der oft zweifelt, eigentlich ständig auf der Suche nach einem Sinn ist. Zu neunzig Prozent gibt mir dieser Ratgeber tatsächlich Antworten auf meine Fragen, ich muss sie nur noch verinnerlichen und danach leben. Dafür danke ich Sebastian wirklich sehr.

Am liebsten hätte ich mit Lineal und Textmarker gearbeitet, so viele kluge Worte und Thesen enthält dieses Buch. Viele davon für die meisten wahrscheinlich selbstverständlich, aber danach zu handeln, ist sicher ungleich schwerer. Definitiv werde ich es irgendwann noch einmal lesen, was wirklich selten vorkommt.

Die eingeflossenen persönlichen Episoden aus dem Leben des Autors haben mich beeindruckt und ihn nur noch sympathischer wirken lassen. Seine Kinder können sich wirklich glücklich schätzen, so einen Vater zu haben. Seine tiefe Liebe zu ihnen klingt aus jeder Zeile. Es gibt wunderbar humorvolle Stellen, aber auch ernste Themen. Die perfekte Balance in einem Buch, das Mut macht, seinen eigenen Weg zu gehen und nicht das Leben anderer zu leben.

Ich kann es einfach nur wärmstens empfehlen, ob für jüngere Semester und den eigenen Weg oder auch wie in Fitzeks Fall für Eltern, um ihren Kindern einen kleinen Reisekompass mitzugeben.

Kerstin at Dienstag, Mai 21st, 2019 | Filed under: Fitzek, Sebastian,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Emil Horowitz
Verlag: Selfpublishing
ASIN: B07FLZFPCS
E-Book: 131 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

 

Alles nur aus Angst

Inhalt:

Die Zeit, in der wir leben, ist von verschiedensten Ängsten geprägt. Diese machen die Menschen anfällig für demokratiefeindliche und autoritäre Strömungen. Das Sachbuch von Emil Horowitz erklärt die historischen Zusammenhänge, beschäftigt sich mit den Methoden, wie der Rechtspopulismus Angst zur Erreichung seiner Ziele einsetzt, und wirft einen entlarvenden Blick auf das alle Bereiche umfassende Netzwerk der Neuen Rechten aus Finanziers, Denkfabriken, Kaderschmieden und Medien.

Meine Meinung:

Niemandem kann es entgangen sein, dass in den vergangenen Jahren ein alarmierender Rechtsruck unsere demokratische Welt bedroht. Doch wer beschäftigt sich schon genauer mit den Hintergründen, analysiert, wie groß die Gefahr bereits ist und wohin es führt, wenn nicht der fortschreitenden Verrohung des gesellschaftlichen Klimas aus Hass und Intoleranz Einhalt geboten wird. Emil Horowitz hat es getan und damit auch mir in einigen Bereichen die Augen etwas weiter geöffnet.

Gerade die Kapitel zu den verschiedenen Angstformen – treffen doch viele davon auf mich persönlich zu – haben mir sehr zu denken gegeben. Allerdings sind mir diese sehr wohl bewusst und ich sehe mich tatsächlich als entsprechend gefestigt gegenüber Manipulationsmanövern und Angstprojektionen von außen. Es war jedoch sehr spannend zu lesen, wie diverse Ängste bis hin zu Burn-out-Szenarien den Betroffenen zu einem empfänglichen Opfer der Neuen Rechten machen.

Hohen Rechercheaufwand hat der Autor betrieben, um darzustellen, dass die Entnazifizierung gut gedacht, jedoch schlecht umgesetzt wurde. An diversen konkreten Beispielen weist er nach, was für strategisch bedeutsame Positionen Personen mit nationalsozialistischer Vergangenheit im Nachkriegsdeutschland einnehmen konnten. Für mich persönlich teilweise etwas zu ausführlich und dementsprechend mühselig zu lesen. Gleiches gilt für die Aufstellung der Finanziers, Organisationen, Publizisten und diverser Initiativen, die rechtes Gedankengut fördern und transportieren.

Zusammenhänge zwischen Angst sowie Totalitarismus, Freiheit und Bildung sind verständlich dargestellt. Es ist an der Zeit, den Kampf (natürlich nicht mit Waffen) aufzunehmen und der Neuen Rechten mit gleichen Mitteln entgegenzutreten. Das Buch bietet keine endgültige Lösung, wie die Gefahr gebannt werden kann, und kann nur Denkanstöße liefern. Ich möchte jedem freiheitsliebenden und demokratiebewussten Menschen jedoch nahelegen, sich der Thematik nicht zu verschließen und aktiv seine Wertevorstellungen zu verteidigen.

Kerstin at Mittwoch, Mai 8th, 2019 | Filed under: Horowitz, Emil,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Nova Meierhenrich
Verlag: Edelbooks
ISBN-10: 3841906362
Klappen-broschur: 217 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

 

Beeindruckend offenes Familienporträt – Enttabuisierung einer Volkskrankheit

Inhalt:

Wer die Moderatorin und Schauspielerin Nova Meierhenrich durch die Medien kennt, würde nie vermuten, welch traurige Familiengeschichte sie seit Jahren mit sich herumträgt. Zu gut versteht sie es, den Schein zu wahren, zu funktionieren. Mit ihren Angehörigen kämpfte sie viele Jahre erfolglos den Kampf gegen die häufig unterschätzte Krankheit Depression, die ihr schlussendlich doch den Vater stahl. Sie selbst geriet in den Strudel einer Co-Depression, die eine Therapie notwendig machte. In ihrem Buch möchte Nova Meierhenrich mit Vorurteilen der Krankheit gegenüber aufräumen, Betroffenen und vor allem auch Angehörigen Hilfestellung geben, die ihr und ihrer Familie über Jahre gefehlt hat.

Meine Meinung:

Da ich von dem Thema Depression als Angehöriger persönlich betroffen bin, hat mich die Ankündigung dieses Romans direkt angesprochen. Schon der Titel – „Wenn Liebe nicht reicht“ – sagt sehr viel aus, denn manchmal ist es tatsächlich so, dass alle Liebe, alle Aufopferung, alles verzweifelte Hoffen nicht ausreicht, den Kampf gegen diese heimtückische Krankheit zu gewinnen.

Auch das Cover ist sehr ansprechend. In schwarz-weiß gehalten, zeigt es eine Frau, der man das Leid ansieht, die aber auch mit einer gewissen Hoffnung in die Zukunft blickt.

Beeindruckend offen und ehrlich gibt Nova Einblick in die Leidensgeschichte ihres Vaters, die Reaktionen des Umfelds, die nach wie vor vorhandenen Missstände bei der Behandlung der Krankheit. Mit ihrer Mutter – ihrer engsten Bezugsperson – arbeitet sie systematisch den Verlauf auf, legt auch ihre Zweifel offen, ob nicht an manchen Stellen auch anders hätte gehandelt werden können. Das muss unheimlich schwer gewesen sein und hat mich sehr beeindruckt.

Ich habe mich an so vielen Stellen wiederfinden können, die Angst, die Verzweiflung und auch die Hoffnung so gut nachvollziehen können. Ganz wichtig finde ich, dass so offen wie selten über diese Krankheit gesprochen wurde, die einen weitaus größeren Personenkreis betrifft, als man vermuten möchte.

Die erklärenden Beiträge des Psychiaters Dr. Mazda Adli, einem führenden Depressionsforscher an der Berliner Charité, fand ich sehr aufschlussreich und vor allem für jedermann verständlich dargelegt.

Das Buch sollte für jeden, der auch nur im Ansatz mit dem Thema in Berührung kommt, zur Pflichtlektüre werden. Es berührt, klärt auf und gibt Hilfestellung in einem manchmal vergeblichen Kampf, der es dennoch wert ist, gekämpft zu werden.

Ich danke dem Verlag Edelbooks und Lovelybooks für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

Kerstin at Mittwoch, Oktober 31st, 2018 | Filed under: Meierhenrich, Nova,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | Comments off

 

Autor:

Stephan Harbort
Verlag: Knaur
ISBN-10: 3426788667
Taschenbuch: 240 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

 

Was macht Frauen zu Serienmörderinnen?

Inhalt:

Es sind weit weniger bekannte Fälle dokumentiert als bei der männlichen Spezies, aber es gibt sie – Frauen, die in Serie töten. Stephan Harbort, Kriminalkommissar und Experte für Serienmörder und kriminalistisches Profiling, beschäftigt sich in diesem True-Crime-Sachbuch mit sieben ausgewählten Serienmörderinnen, die im deutschsprachigen Raum von 1945 bis 2015 aktiv wurden. Er erzählt ihre Geschichte, versucht hinter die Motive zu blicken und analysiert die Psyche der Täterinnen, die eventuell ausschlaggebend für ihr Verhalten war.

Meine Meinung:

„Killerfrauen“ ist mein erstes Buch von Stephan Harbort, obwohl ich mich schon länger für die Thematik interessiere, bisher jedoch vor allem aus Sicht der Rechtsmedizin. Ich finde es generell spannend, hinter die Geschichten zu blicken und der großen Frage nach dem Warum ein bisschen näher zu kommen.

Die sieben Geschichten enthalten die Klassiker wie Kindestötung, Todesengel und die Schwarze Witwe, die auch in unzähligen Filmproduktionen thematisiert wurden. Aber es sind auch Fälle dabei, die für echtes Erstaunen sorgen, speziell wenn man in besondere Ermittlungsmethoden der Polizei Einblick erhält. Der Autor hat mit einigen der Täterinnen persönlichen Kontakt gehabt, mit anderen schriftlich verkehrt, immer jedoch gründlich recherchiert, was man seiner Schreibweise auch anmerkt und worauf das angehangene Literaturverzeichnis deutlich verweist.

Fast immer wird jeweils der Fall betrachtet und im Anschluss versucht, der Täterin ein Gesicht zu geben, indem man ihren Hintergrund beleuchtet. Das erfolgt sachlich, analytisch und ohne Wertung. Bei einigen Fällen wurde dies jedoch ausgespart und gerade da hätte mich diese Sichtweise besonders interessiert. Natürlich sind auch vieles nur Vermutungen, wenn die Angeklagten nicht in der Lage oder willens sind, sich umfassend zu äußern, denn in den Kopf schauen kann man nun mal nicht. Generell hätte ich mir einen etwas tieferen Einblick in die Psyche der Damen gewünscht, denn die meisten Fragen bleiben schlussendlich offen. Aber das ist wohl Geschmackssache und die richtige Balance für alle zu finden schlicht unmöglich.

Die Statistik am Ende über Merkmalshäufigkeiten bei Täterinnen, Opfern und Taten fand ich sehr interessant. Insgesamt ein wirklich gutes Buch, um einen tieferen Einblick in die Abgründe der weiblichen Seele zu bekommen und sein Wissen zu erweitern. Fan von True Crime kann ich das Buch nur empfehlen und ich werde mir sicher auch andere Werke des Autors näher ansehen.

Ich danke Stephan Harbort für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplares.

Kerstin at Donnerstag, März 8th, 2018 | Filed under: Harbort, Stephan,Sachbuch,Thriller/Krimi | RSS 2.0 | TB | No Comments

 

Autor:

Matt Haig
Verlag: dtv Verlag
ISBN-10: 3423280719
Gebundene Ausgabe 304 Seiten
Persönliche
Wertung:

 

 

Der Weg zurück vom Abgrund

Inhalt:

Matt Haig ist gerade mal 24, als ihn eine heimtückische Krankheit, scheinbar aus heiterem Himmel, in die Knie zwingt – die Depression. Nur einen winzigen Schritt weiter und dieses Buch wäre nie entstanden, denn der Autor stand im wahrsten Sinne des Wortes am Abgrund. Seine dunkelsten Stunden, die Auslöser, seine komplette Gefühlswelt, aber auch die ersten winzigen Schritte in eine bessere Zukunft beschreibt er in diesem Buch. Dies tut er so gefühlvoll, ehrlich und schonungslos, dass es im Innersten berührt.

Meine Meinung:

Eine sehr gute Freundin hat den Autor Matt Haig für sich entdeckt und mir dieses Buch in dem Wissen empfohlen, dass ich als Angehöriger persönlich von dem Thema betroffen bin. Dafür schulde ich ihr großen Dank.

Auch bei uns gab es die Anzeichen, aber irgendwie war es dann doch wie ein Donnerschlag, als die Depression mit unbeschreiblicher Härte über meine geliebte Mama hereinbrach, ihr jeden Lebensmut nahm und ihren Mann und mich zu hilflosem Zuschauen verdammte. Wir waren in meiner Kindheit viele Jahre auf uns allein gestellt, sie mein wichtigster Bezugspunkt, Mutter, Schwester, Freundin in einem. Was haben wir nicht alles zusammen unternommen – Konzerte, unzählige Theaterbesuche, Buchevents – unvergessliche Erlebnisse. Ihr wahres Alter stets verleugnend, immer fit und agil, voller Tatendrang. Eine Welt, die plötzlich aufhörte zu existieren.

Wer kennt sie nicht, die kleinen depressiven Phasen, wenn alles wenig Sinn zu machen scheint? Sie geben vielleicht einen kleinen Einblick in das Empfinden, wenn eine wahre Depression vorliegt, die nicht nur das Gehirn in seine Einzelteile zu zerlegen scheint, sondern einen auch körperlich an jede Grenze bringt. Wenn jede Bewegung ein Kampf ist, jeder neue Tag ein schier unüberwindliches Hindernis. Nicht Betroffene können es nur im Ansatz verstehen. Matt Haig beschreibt diese Gefühle so real, nachvollziehbar, aber auch schonungslos, dass betroffene Angehörige definitiv ein besseres Verständnis erlangen. Aber er gibt auch Hilfestellung, wie man mit den Betroffenen umgehen, was man auf keinen Fall tun sollte.

Mir persönlich hat das Buch unheimlich viel gegeben. Fernab von jeder wissenschaftlichen Erklärung, die ohnehin nur unbefriedigend wäre, weil die Krankheit so vielfältige Erscheinungsformen hat, bietet er anhand seiner eigenen Erfahrungen Lösungswege, aber er schenkt auch Kraft und Mut, das Schicksal anzunehmen.

Von Beginn an habe ich überlegt, ob es einen Sinn macht, das Buch meiner Mutter zum Lesen zu geben, ob es ihr eine Hilfe sein kann oder eher das Gegenteil bewirkt. Die ganz große und enorm wichtige Aussage des Buches ist: Du bist nicht allein damit und es gibt ein Morgen, vielleicht keine vollständige Heilung, aber Besserung. Aus diesem Grund will ich es versuchen, vor allem auch, da seit dem großen Zusammenbruch inzwischen fast ein Jahr vergangen ist und unsere Erfahrungen zeigen, dass es tatsächlich aufwärts gehen kann. Natürlich gibt es immer wieder Rückschläge, Medikamente sind kein Allheilmittel, aber ein ganz großer Faktor ist tatsächlich die Liebe, wie auch Matt Haig zu berichten weiß.

Er befragte auch viele Betroffene über ihre Gründe, am Leben bleiben zu wollen, was mich besonders beeindruckt hat. Diese sind so unterschiedlich wie der Mensch selbst, aber dennoch ist die Liebe bei sehr vielen der Anker, der sie im Hier und Jetzt hält. Klar, nicht jeder schafft es, aber ich denke, für eine große Anzahl Menschen gibt es ein Danach, Tage, an denen sie wieder rundum glücklich sein können, wo sie die Schatten besiegen. Das Buch kann aus meiner Sicht auch helfen, mit der Krankheit besser umzugehen, ihr den Kampf anzusagen, die Kraft zu finden, es durchzustehen.

Daher ist „Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben“ meiner Meinung nach sowohl für Betroffene als auch ihre Angehörigen ein großes Geschenk, wofür ich dem Autor sehr dankbar bin.

Kerstin at Sonntag, Februar 25th, 2018 | Filed under: Biografie,Haig, Matt,Sachbuch | RSS 2.0 | TB | No Comments
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